Vom Fachprozess zum initialen Backlog

Sind fachliche Prozessmodelle vorhanden, können diese für das agile Anforderungsmanagement bei der Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen genutzt werden. Wie? Das erklären wir in diesem Blogbeitrag.

Digitalisierung von Prozessen anhand von Prozesspfaden

Soll ein Prozess digitalisiert werden, stellt sich oft die Frage: Wo fangen wir mit der Digitalisierung an? Was sind die ersten Epics und Stories? Eine mögliche Antwort kann unter Nutzung des fachlichen Prozessmodells, sofern es vorhanden ist, erarbeitet werden. Ein Prozess ist eine Abfolge von Aufgaben, die in einer bestimmten Reihenfolge in einem Prozessdurchlauf abgearbeitet werden. Die Ablaufreihenfolgen von Aufgaben sind nicht beliebig. Sie werden zu Wegen, i.d.R. als Pfade bezeichnet, aggregiert. Der am häufigsten durchlaufene Pfad wird als Happy Path bezeichnet. Dabei hat “happy” hier nicht unbedingt etwas mit einem “positiven” Prozessergebnis zu tun, es ist einfach nur der am häufigsten durchlaufene Pfad.

Beispiel Reiseantrag: Fachprozess und Epics

Diesen Pfad als erstes zu digitalisieren verspricht i.d.R. den größten Nutzen. Dabei sollte der Pfad von Anfang bis Ende digitalisiert werden, damit er von den Prozessbeteiligten vollständig und ohne App-Wechsel bearbeitet werden kann. Im ersten Schritt kann hierfür die Automatisierung von Aufgaben vernachlässigt werden. So können bspw. Prüfungen anhand von Daten oder Dokumenten zunächst von den Prozessbeteiligten manuell durchgeführt werden, bevor diese dann in einem weiteren Schritt automatisiert werden. Auch sollten nur die wichtigsten Aufgaben digitalisiert werden, der Ablauf also so einfach wie möglich gestaltet werden. In der obigen Abbildung ist hierfür ein minimaler Ablauf für die Durchführung einer Dienstreise inkl. deren Ablehnung, also deren “Nicht-Durchführung”, dargestellt. In der weiteren Prozessanalyse können diese Aufgaben dann weiter detailliert und ggf. auch neue Aufgaben identifiziert werden.

Good practice: Erst so einfach wie möglich grundlegend Ende-zu-Ende digitalisieren, dann Aufgaben und Pfade weiter analysieren und die Aufgaben automatisieren!

Epics und Stories prozessorientiert schneiden

Selbst die initiale Digitalisierung eines Happy Path ist aufgrund des Umfangs meist nicht mit einer Story zu schaffen, da diese dann zu groß wird. Es bietet sich daher an, ein Epic zu erstellen und alle Stories, die der initialen Digitalisierung des Happy Path dienen, in diesem Epic zusammenzufassen. Im Beispiel der Dienstreise wurden so zwei Epics erstellt: 1) Dienstreise durchführen oder nicht durchführen und 2) Antrag überarbeiten. Eine Aufspaltung des ersten Epics bzgl. der Durchführung (oberer und unterer Pfad) macht hier keinen Sinn, da für den Pfad der Ablehnung zum aktuellen Zeitpunkt keine weiteren Aufgaben vorgesehen sind.

Bei der initialen Digitalisierung von Pfaden kann es sinnvoll sein, die Aufgaben zunächst nicht zu detailliert abzubilden, um möglichst schnell eine Digitalisierung eines Pfades von dessen Beginn bis zu seinem Ende zu erreichen. Analog kann für die weiteren Pfade im Prozessmodell vorgegangen werden. Vor jeder Pfaddigitalisierung sind jedoch Aufwand und Nutzen abzuwägen. Selten durchlaufene Pfade können ggf. ganz entfallen und werden nicht digitalisiert. Die folgende Abbildung zeigt ein mögliches initiales Backlog für die Digitalisierung des Reiseantrags. Aus Sicht eines Minimum Viable Product (MVP) macht die Umsetzung dieser beiden Pfade Sinn – ohne Ablehnung ist das Produkt unvollständig. Die Überarbeitung von Anträgen könnte dagegen im MVP zunächst weggelassen werden und der Antrag stattdessen abgelehnt und neu gestellt werden.

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Vorteile

Die Vorteile dieses Vorgehens sind vielfältig. Pfade werden von Anfang bis Ende digitalisiert und Medienbrüche schnell beseitigt bzw. sogar vermieden. Die Digitalisierung erfolgt nutzenorientiert und in nachvollziehbaren Schritten, die sich am i.d.R. gut kommunizierbaren fachlichen Prozessmodell orientieren. Sowohl Vorgehen als auch Digitalisierungsfortschritt sind somit für alle Beteiligten transparent. Ist ein Pfad initial digitalisiert, können für ihn Key Performance Indicator (KPIs), bspw. Durchlaufzeiten von Prozessinstanzen oder Bearbeitungszeiten von Aufgaben, vollständig erhoben werden. So kann die Prozesssteuerung schnell verbessert und wertvolle Informationen für die weitere Digitalisierung, insbesondere aber auch für die Automatisierung gewonnen werden. Mit KPIs kann bspw. die Frage beantwortet werden, welche manuellen Tätigkeiten denn tatsächlich besonders lang dauern.

Unsere Leistungen

Stellen Sie aktuell Überlegungen an, wie Sie das Backlog für Ihre zu digitalisierenden Prozesse aufbauen? Gerne beraten wir Sie hierbei bspw. mit einem Check Ihrer Fachprozesse oder Ihres bereits initial erstellten Backlogs. Den Aufbau eines Backlogs können Sie mit uns gemeinsam in unserem DigiLAB verproben.

von Michael Jacob und Carolin Neufert

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